Als das Flugzeug mit dem vertrauten Logo und der Schnapszahl als Flugnummer auf die Wasseroberfläche Prallt, macht sich erschütterung breit.
Swissair 111; Der Tag der Katastrophe aus der Sicht eines Piloten
Der 2. September 1998. Ein Tag der die Geschichte der Schweizer Luftfahrt noch lange prägen wird. Swissair 111 stürzte in der Nacht an der Küste von Halifax ins Meer. Dieser Text - basierend auf Erzählungen eines Piloten - handelt von dem Morgen danach.
Der 3. September 1998. Ein Tag wie jeder andere? Für mich war er es noch, als ich früh morgens in der Küche stand und in aller Ruhe meinenKaffee trank. Ich genoss die Ruhe und blickte in auf den neuen Tag. Meine Aufgabe war es, von Zürich aus, als Deadhead nach Genf zu fliegen, HB-IWF aus JFK kommend, zu übernehmen, und nach Zürich zu fliegen. Nach einem kurzen Aufenthalt im Bad, machte ich mich auf den Weg. Im Operations angekommen, sah für mich noch alles wie üblich aus, zugegeben, so aufmerksam war ich wohl nicht. Ich ging zur Garderobe um meine Uniform anzuziehen. Danach erreichte mich eine Durchsage: Ich solle mich doch sofort bei einer Informationsstelle melden, hiess es. Zuerst wurde mir gesagt, ich solle nach Genf fliegen, und von dort aus eine Sondermaschine nach New York - John F. Kennedy fliegen. Der weitere Teil des Gesprächs traf mich wie ein Blitz: HB-IWF würde nie in Genf landen.
HB-IWF. War das nicht die MD-11, mit der ich zwei Tage zuvor noch nach Singapur geflogen war? Wie konnte das passieren? Viel Zeit blieb leider nicht. Ich musste mich beeilen, alle meine Sachen zusammenpacken um mit dem nächsten Flugzeug nach Genf zu fliegen. Unterwegs versuchte ich mir das ganze einzuprägen. Was war geschehen? Es wurde mir zuvor mitgeteilt, dass derzeit noch keine Erkenntnisse vorlägen.
Nach der Landung beeilte ich mich, denn das Zeitfenster für die Flugvorbereitung war ziemlich knapp. In der Ankunftshalle war eine eigenartige Stimmung. Obwohl sie gefüllt war, fehlte jegliche Freude.
Hunderte von Menschen eilten durcheinander. Einige hielten sich in den Armen, andere hatten ein Taschentuch vor dem Gesicht. Weitere sassen am Boden, starrten ins leere, und wieder andere hatten einfach den Ausdruck der Leere im Gesicht. Das Betreuungsteam vor Ort hatte alle Hände voll zu tun. Ich hastete zum Briefing. Den Gesichtsausdrücken der Crew zu entnehmen waren sie bereits informiert.
Das Flugzeug war bereit, und schon kamen die ersten Passagiere. Mir war aufgefallen, dass das sonst typische Lächeln auf den Gesichtern der Crew einem eher künstlichen Lächeln gefolgt ist. Wir sassen im Cockpit und warteten auf die Freigabe. Nach einiger Zeit kam die „Maître de Cabine“ ins Cockpit und teilte uns mit, dass die Passagiere nervös seien. Leider hatten war es nicht möglich, das geplante Zeitfenster einzuhalten. Erste Nervosität unter den Passagieren machte sich breit. Ich entschied mich, eine Durchsage zu machen: „Meine Damen und Herren, es tut uns ausserordentlich leid, dass wir bisher mit keine Möglichkeit hatten, zu starten. Ich bitte jedoch um Verständnis in dieser schweren Situation.“
Auf diese Durchsage reagierten die Passagiere äusserst interessiert. Vielleicht hätte ich "die Situation" nicht erwähnen sollen, aber hintendrein ist man immer klüger. Das Kabinenpersonal wurde daraufhin von den Passagieren gefragt, was denn los sei. Erst da wurde mir klar, dass die Menschen auf den Sitzplätzen noch gar nichts ahnen konnten, Ankunfts- und Abflughalle sind ja getrennt. Die Passagiere reagierten darauf äusserst verständnissvoll, und die Aufregung in der Kabine legte sich. Ein Passagier meldete sich kurzerhand und bat uns, auf keinen Fall zu erwähnen, dass die abgestürzte Maschine ebenfalls eine MD-11 war. Seine Frau würde ansonsten sofort das Flugzeug verlassen wollen, hatte sie doch ohnehin schon Flugangst.
Während dem Flug gingen mir immer wieder Gedanken über den Absturz durch den Kopf. Als wir Peggy’s Cove überflogen, erreichten uns noch die Notsignale aus dem Funk der „Vaud“. Jetzt wurde mir klar, dass HB-IWF 7000 Meter unter uns liegt. Etwas später funkte uns ein Airbus A310 an. Ein etwas älteres Flugzeug als unseres, das offenbar keinen Funkkontakt zum Headquarter Zürich hatte. Sie baten uns um die Namen der Besatzung. Ich sandte eine ACARS-Meldung ans Hauptquartier. Nach 20 Minuten traf die ersehnte Antwort ein. Sofort las ich der A310-Maschine alle Namen via Funk vor. Besonders der Name Urs Zimmermann traf mich. Waren wir doch zusammen im Militär und erst gerade vor wenigen Tagen im Simi.
Nach der Landung verabschiedeten wir uns von den Passagieren, wobei einige uns ihr tiefstes Mitgefühl mitteilten. Und der Crew fiel es schwer, beim Lächeln zu bleiben. Am Flughafen wurden wir von 200 Medienschaffenden erwartet, die unser Flugzeug, und uns gierig auf ihr Medium aufnahmen. Wir waren die erste Swissair-Besatzung nach dem Unglück, die mit einer MD-11, am John F. Kennedy- Airport eintraf. Die Polizei und die Flughafensicherheitsbehörde bemerkte rasch, dass wir nicht stark genug waren, gegen die Journalistenflut anzukommen und so lotsten sie uns durch die Menge, Wir alle waren von den Ereignissen der letzen Stunden so überwältigt, dass wir nur noch unsere Ruhe wollten. Im Hotel angekommen bezogen wir unsere Zimmer. An der Rezeption wurde uns mitgeteilt, dass uns das Telefon zu Verfügung stehe und wie leid ihnen die ganze Sache tue.
Nach fünf Minuten verliess ich das Hotel wieder und machte mich auf den Weg zum Broadway. Ich brauchte etwas Zeit für mich, und etwas frische Luft. Am Abend, als ich wieder im Hotel eintraf, ging es mir für den Moment besser. Jedoch quälten mich noch immer viele Fragen über den Absturz.
Inzwischen liegt der Abschlussbericht vor. Wie immer reicht ein einzelner Fehler nicht aus, um eine Katastrophe auszulösen. Es handelt sich um ein kompliziertes Netzwerk:
Wahrscheinlich hatte ein Kurzschluss – ausgelöst durch die gebrochene Isolierung eines Kupferkabels hinter der oberen Cockpitverkleidung – die benachbarte Thermoschallisolation entzündet. Das betreffende Kabel versorgte das bordeigene Unterhaltungssystem IFEN (In-Flight Entertainment Network) mit Strom. Über das IFEN konnten die Gäste der Ersten Klasse an ihren Plätzen Videos schauen oder Computerspiele spielen.
Der Untersuchungsbericht stellte fest, dass die MPET-Beschichtung des im Flugzeug verbauten Dämmmaterials und andere Teile nicht genügend feuerfest waren. Deshalb konnte sich der Brand ausbreiten. Zunächst zerstörte er die Zuleitungen wichtiger Cockpitinstrumente, so dass die Piloten in der Dunkelheit über dem Meer die Orientierung verloren. 6 Minuten vor dem Absturz zerschmorte auch die Datenleitung zum Flugdatenschreiber im Heck, was die Rekonstruktion des Unglücks zusätzlich erschwerte.
Als Resultat aus dem Unglück sprach die TSB 23 Sicherheitsempfehlungen aus. Sie empfahl neue Standards für Materialtests auf Feuerfestigkeit, außerdem den Einsatz von Feuermeldern in Flugzeugcockpits und die Installation von Videokameras in Hohlräumen. Außerdem sollte Flugpersonal besser für die Brandbekämpfung trainiert werden. (Quelle: wikipedia)
Entgegen Gerüchten trifft die Besatzung keinerlei Schuld. Sie taten ihr Bestes und hätten den Absturz mit ihrem Wissen nicht verhindern können.